Ein Aufbruch der besonderen Art: Nacktwandern als Selbstversuch

Es ist schon ein eigenartiges Gefühl gewesen. Ich creme mich zum Schutz gegen die warme Sonne ein. Ich schnüre die stabilen Trekking-Schuhe. Ich schnüre mir den Rucksack mit Trinken auf den Rücken. Der erste Eindruck täuscht. Schließlich ist es keine gewöhnliche Wanderung, die ich mache. Denn ansonsten bin ich unbekleidet. Meine erste Nacktwanderung steht an. Ein Gefühl von leichter innerer Unruhe begleitet mich.

 

Als ich zum Treffpunkt an der Infotafel des FKK-Campingplatzes am Rosenfelder Strand im holsteinischen Grube komme, erwarten mich fünf Dutzend anderer Menschen. Menschen, die schon einige Erfahrung mit dem Nacktwandern haben. Vor allem aber auch Menschen, für die diese Nacktwanderung zwischen den Feldern Ostholsteins und an der Küste Ostholsteins genauso ein Aufbruch ist wie für mich. Ein Aufbruch der besonderen Art, denke ich für mich. Dass die Organisatorin der Nacktwanderung, Nicole Wunram, im Rahmen der Familienfreizeit „Meehr erleben“ darunter ist, gibt eine erste Sicherheit.

Es geht los. Wir verlassen das Gelände des Naturisten-Campingplatzes. Die ersten Meter sind auf vertrautem Gebiet. Wir laufen um den kleinen See, der in der Nachbarschaft des Campingplatzes kultiviert wird. Die große Masse gibt Schutz. Ich suche mir Weggefährten, die ich kenne. Vielleicht geht es diesen Mitläuferinnen und Mitläufern wie mir. Es ist eine Expedition mit sich und seinem Körper.

Spannend wird es, als wir den Deich am FKK-Abschnitt des Rosenfelder Strandes erreichen. Dort sind wir im Lichte der Öffentlichkeit. Auf den ersten Blick irritiert, dass es eigentlich keine negativen Reaktionen der textilen Menschen auf dem Deich zu geben scheint. Man grüßt sich und geht aneinander vorüber. Natürlich bewegt mich die Frage, ob die große Gruppe nackter wandernder Menschen die angezogenen Menschen beeindruckt und zum Schweigen bringt. Oder wundert es sie selber nicht ?

Während des Wanderns auf dem Deich kommen die ersten intensiven Erfahrungen des Nacktwanderns. Denn der Wind der Ostseeküste ist auf der Haut spürbar. Der erste Schweiß läuft, da die Sonne im fortschreitenden Morgen an Kraft gewinnt. Unangenehm ist es auf keinen Fall, was ich in den Minuten erlebe und erfahre. Ganz anders  ist es, als wir einige Zeit später zwischen den Äckern Ostholsteins wandern und die Insekten uns geradezu belästigen. Damit der eine den anderen von der Plage der Bremsen und Mücken befreit, kommt es nicht nur zu konkreten Handgreiflichkeiten gegenüber den Insekten. Es kommt vor allem viel zwischenmenschliche Kommunikation zustande. Wer bis zu diesem Zeitpunkt nicht im Gespräch miteinander gewesen ist, der redet nun miteinander.

Die Wanderung schreitet voran. Der Tag geht voran. Es ist ein schönes Gefühl, nackt zu wandern. Mir ist klar, dass es keine alltägliche Erfahrung ist. Ich erinnere mich, dass sich Frauen immer wieder lautstark beschweren, dass auch im Hallenbad nasse Badeanzüge eine unangenehme Erfahrung seien. Beim Nacktwandern erlebe ich eine Parallele. Ich mache mir keine Gedanken, wie verschwitzt mein T-Shirt ist oder wie unangenehm es sich anfühlt, wenn die Schweißtropfen den Rücken hinab Richtung Gesäß rinnen.

Da kommen wir auf die Zielgerade. Siebeneinhalb Kilometer Nacktwanderung liegen hinter uns. Verunsicherung ist gewichen. Ich habe es gewagt, unbekleidet durch die Gegend zu laufen. Neue Erfahrungen habe ich gemacht. Es hat vor allem sehr viel Spaß gemacht. Ich bin gespannt, wann ich das nächste Mal eine Nacktwanderung probieren werde. Machen werde ich es auf jeden Fall. Schließlich ist es nicht so spektakulär, wie ich vorher vermutet hatte. Es ist einfach eine Erfahrung der ungewöhnlichen Art. Es lohnt sich, neue Wege zu gehen …

Christoph Müller

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